Najem Wali über die ägyptische Filmdiva Soad Hosny, die politische Entwicklung in Ägypten seit den 50er Jahren und seinen neuen Roman „Soad und das Militär“.
Ein Interview in der TAZ von Andreas Fanizadeh, 19. Juni 2021
taz am wochenende: Herr Wali, Sie waren sicherlich öfters in Kairo, Kairo ist ja Ausgangspunkt Ihres aktuellen Romans?
Najem Wali: Zum ersten Mal war ich 1993 in Kairo. Sechs Monate lang. Damals schrieb ich an der Uni Hamburg meine Doktorarbeit. Ich habe in der ägyptischen Nationalbibliothek recherchiert. Damit begann meine Liebe zu Kairo. Ich war seitdem fast jedes Jahr da.
taz am wochenende: In Ihrem neuen Roman „Soad und das Militär“ verbinden Sie eine Geschichte aus der Mitte des letzten Jahrhunderts mit der Gegenwart, warum?
Najem Wali: Das Thema Militär beschäftigt uns in der Region und mich schon seit meinem ersten Roman, „Krieg im Vergnügungsviertel“. Egal wo, sie regieren permanent. Die Militärs in Ägypten oder Irak kamen im Namen von nationaler Unabhängigkeit und Befreiung an die Macht. Sie gaben sie seither nie mehr freiwillig ab. Sie haben Königreiche wie in Ägypten gestürzt. Doch mit dem Versprechen von Freiheit und Wohlstand für alle wurde es nichts. Es war ein Betrug. 1952 putschten die Militärs in Ägypten. Bis heute kontrollieren sie mit ihren Geheimdiensten das gesellschaftliche Leben und die wichtigen Zweige der Wirtschaft. Diesen Juli werden es 69 Jahre sein! Ihr ganzer Patriotismus dient nur dazu, von Misswirtschaft und fehlender Demokratie abzulenken.
1952, das war Gamal Abdel Nasser?
Ja, die Offiziersclique um ihn. Aber es geht mir weniger um das Militär als um Macht und Abhängigkeit. Meine Hauptfigur ist eine Künstlerin, eine ägyptische Filmdiva, die missbraucht und deren Existenz am Ende von den Mächtigen zerstört wird.
Hat diese Figur der Filmdiva Soad reale historische Bezüge oder ist sie eine rein literarische Erfindung?
Soad Hosny existierte. Sie war eine sehr bekannte Frau. Sängerin, aber noch berühmter als Schauspielerin. Die „Cinderella“ des ägyptischen Kinos. Geboren 1943 in Kairo, starb sie Juni 2001 in London. Sie fiel vom Balkon einer Wohnung aus dem sechsten Stock des Stuart Towers. Sie hatte angekündigt, ihre Memoiren schreiben zu wollen. Das musste für viele hochrangige ägyptische Militärs und Geheimdienstleute als Bedrohung klingen. Laut Scotland Yard war es Selbstmord oder ein Unfall. Aber viele glauben, es war Mord.
2001 der Tod in London, 2011 der Arabische Frühling und der Sturz des Mubarak-Regimes in Kairo, dort soll man auf dem Tahrir-Platz Lieder von ihr gesungen haben?