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Najem Wali
Foto: Jürgen Bauer

Offiziell wurde Najem Wali wie Millionen andere Iraker am 1. Juli 1956 geboren. Richtig ist, dass er am 20. Oktober 1956 im Süden des Irak zur Welt kam. Diese Verdrehung von Fakten ist nur eine von vielen surrealen Geschichten aus dem Land von tausendundeiner Diktatur und tausendundmehr Kriegen. Nachdem Wali sein Abitur in Basra und Amara (sein offizieller Geburtsort übrigens) abgeschlossen hatte, begann er an der Universität Bagdad ein Studium der deutschen Literatur. Nach dem Universitätsabschluss 1978 wurde er zum Militär eingezogen. Während des Militärdienstes wurde er als „politisch Andersdenkender“ und Kriegsgegner inhaftiert und gefoltert. Durch ein Wunder kam er frei und setzte gezwungener Maßen seinen Dienst in der Armee bis zu seiner Entlassung im August 1980 fort.

Kurz nach Ausbruch des Iran-Irak Krieges am 22. September 1980 wurde sein Jahrgang erneut zum Militärdienst einberufen. Wali wollte nicht in den Krieg ziehen. Ein Ausreisevisum zu bekommen war unmöglich, schon allein, weil sein Name auf der Liste der Ausreiseverbote stand. Durch Bestechung und mit Hilfe von Bekannten konnte er das Land dann doch illegal verlassen.

Der 8. November 1980 ist der Tag seiner Ankunft in der Bundesrepublik Deutschland. In Hamburg setzte er sein Studium der Germanistik fort und schloss es mit dem Magister Artium ab. Das Thema seiner Magisterarbeit ist Jakob Michael Reinhold Lenz: „Der Hofmeister“, „Die Soldaten“. Eine Untersuchung der Dramen und ihrer produktiven Rezeption durch Brecht und Kipphardt“ (1987, Universität Hamburg).

1987 zog Najem Wali nach Madrid, um Spanische Literatur zu studieren. 1990 kehrte er nach Hamburg zurück. Es folgten Studienaufenthalte in Oxford und Florenz.

Najem Wali zählt in der arabischen Welt zu den führenden Schriftstellern. Seine Bücher wurden in mehrere Sprachen übersetzt. Er war lange Zeit Kulturkorrespondent der bedeutendsten arabischen Tageszeitung Al Hayat und schreibt heute regelmäßig für renommierte, deutschsprachige Medien, darunter die „Süddeutsche Zeitung“, die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“, die „Neue Zürcher Zeitung“, die TAZ und den SPIEGEL.

In allen seinen Romanen und Erzählungen beschäftigt sich Najem Wali mit seiner eigenen Vergangenheit und der Geschichte seines Landes. Dabei scheut Wali auch nicht, brisante Themen wie die Doppelmoral um die Jungfräulichkeit in der arabischen Welt anzugehen. (Literarisch greift er dieses Thema in dem 2004 im Hanser Verlag und 2010 bei DTV auf Deutsch erschienenen Roman Die Reise nach Tell al-Lahm auf.) Das Buch wurde ein Bestseller und mehrmals neu aufgelegt. Insbesondere in den Golfstaaten, Saudi Arabien, im Irak und in Ägypten wird es von jungen Mädchen als Kultroman weitergereicht. Wali war einer der ersten prominenten Iraker, der nach Israel reiste, um dort für die Verständigung zwischen Israelis und Arabern zu werben.

Seinen Roman Bagdad Marlboro (Hanser Verlag 2014) stellte die Literaturkritik auf eine Stufe mit Erich Maria Remarques Antikriegsroman Im Westen nichts Neues. Für Bagdad Marlboro erhielt Najem Wali den Bruno Kreisky Preis für das politische Buch 2014. Bei Hanser erschien 2015 Bagdad. Erinnerungen an eine Weltstadt. Seit 2010 reist Wali regelmäßig in sein Geburtsland und wird zu internationalen Konferenzen und Buchmessen in Deutschland, Afrika, Asien und Lateinamerika eingeladen. 2016 wurde er in die Jury des Deutschen Buchpreises berufen. 2017 erschien sein Sachbuch Die Balkanroute. Fluch und Segen der Jahrtausende bei Matthes & Seitz Berlin und 2018 sein neuer Roman Saras Stunde im Hanser Verlag.