Schuld und Chaos
Welche Schlacht? Welche Front? In seinem großen Kriegsroman „Bagdad Marlboro“ lässt der in Berlin lebende Iraker Najem Wali viele Details im Ungewissen und kommt so der Erfahrung von Soldaten erschreckend nah.
„Bagdad Marlboro“ – die Namen zweier Zigarettenmarken, irakisch die eine, amerikanisch die andere, bilden den Titel des neuen Romans von Najem Wali – einem Höllentrip durch die Kriege des Irak. Najem Wali, der 1956 in der südirakischen Hafenstadt Basra geboren wurde, zu Beginn des irakisch-iranischen Kriegs nach Deutschland floh und heute in Berlin lebt, will die Leiden der Soldaten nicht nach Nationen und Religionen gewichten. Das Credo seines Erzählgeflechts, voller Geschichten, die begonnen und abgebrochen, variiert und zu Ende gesponnen werden, ist bei aller Raffinesse denkbar schlicht: „Alle wissen, dass es in jedem Krieg um nichts anderes geht als um den Tod. (…) Es ist die einzige Wahrheit, die für alle Kriege gilt, die aber niemand offen ausspricht.“
In einer Sprache zwischen Poesie, Fabulierlust, Faktenwissen und nüchterner Proklamation einfacher, aber oft verborgener Wahrheiten schickt Wali den Leser auf eine Tour de Force. Dass sie immer wieder zur Tortur wird, hat weniger mit der Brutalität der Szenen zu tun, in dieser Hinsicht hält sich der Autor eher zurück, als mit dem Gefühl, sich auf schwankendem Boden zu bewegen. Oft weiß der Leser nicht, wo er sich befindet: in welchem der Kriege, an welcher Front? So wird er nicht nur zum Dechiffrieren gezwungen, sondern auch in eine Situation versetzt, die mit der eines Soldaten einiges gemeinsam hat.