Deutschlandfunk Kultur, 22. Juli 2020
Ihr Kulturzentrum Beit Tarkib in Bagdad war Anlaufpunkt für junge Künstler und Rebellen. Aus Anteilnahme ist Hella Mewis ihnen auf Demonstrationen gefolgt, sagt der irakische Schriftsteller Najem Wali, ein Freund der entführten deutschen Kuratorin.
Najem Wali im Gespräch mit Marietta Schwarz
Auf eigene Initiative hin hat Hella Mewis in der irakischen Hauptstadt 2015 das Kulturzentrum Beit Tarkib gegründet, erinnert sich der in Berlin lebende Schriftsteller Najem Wali. 1956 im irakischen Basra geboren, flüchtete er 1980 nach Ausbruch des Iran-Irak-Krieges nach Deutschland. „Hella war in Bagdad verliebt.“ Die beiden kannten sich persönlich. In dem Kulturzentrum habe sie einen Traum verwirklicht.„2014 hat sie mich nach Bagdad geholt und mit der Stadt versöhnt“, erzählt Wali. Sie habe aus seinem Roman „Bagdad Marlboro“ auf Deutsch, er auf Arabisch gelesen: „Traurigerweise hat sie genau den Teil gelesen, wo mein Protagonist, ein amerikanischer Soldat, von irakischen Milizen entführt wird. Was für ein Schicksal, das macht mich sehr traurig.“
Schwierige Sicherheitslage
Die Sicherheitslage im Irak hat sich nach Walis Einschätzung besonders im vergangenen Jahr verschlechtert. Seit Oktober 2017 habe es auch eine Welle von Protesten gegeben. „Da in ihrem Haus viele junge Künstler Rebellen sind, hat sie das Gefühl gehabt, mit bei den Demonstrationen dabei sein zu müssen. Deshalb war sie dabei.“ Erst vor einer Woche habe er noch mit Mewis gesprochen: „Da war sie traurig, weil auch Freunde von ihr entführt, einige erschossen worden waren.“
Mewis habe sich nicht besser schützen können. Sie habe gedacht, der einzige Schutz für sie seien die Menschen. „Die einfachen Menschen haben Hella geliebt. Die Leute kannten sie. Jeder wusste von dieser deutschen, blonden Frau, die mit einem Fahrrad durch die Straßen fährt.“
Mögliche Gründe für Mewis Entführung
Als Drahtzieher hinter der Entführung von Mewis vermutet Wali Milizen oder Banden, die womöglich Geldforderungen an Deutschland stellen wollten. Einige hätten ihre Machtposition verloren. „Vielleicht wollte man aber auch nur eine Botschaft an die jetzige Regierung senden“. Der neue Ministerpräsident Mustafa Al-Kadhimi sei im Grunde machtlos.
Außerdem habe Deutschland vor einigen Wochen die Hisbollah verboten. „Vielleicht ist das ein verlängerter Arm der Hisbollah in Bagdad, der sie nun benutzt, um Geiseln herauszuholen“, vermutet Wali.