Kulturszene im Irak
Najem Wali hat sich zu einer Lesung in die irakische Hauptstadt gewagt. Ein Reisebericht.
Erschienen in der TAZ, 27. April 2015
Eine Kulturveranstaltung auf einem öffentlichen Platz im Herzen Bagdads mit Hunderten Zuhörern? Wer hätte das gedacht? Bis zum Tag meiner Ankunft zweifelte ich daran, ob das etwas Erfreuliches wird, ob sich die abenteuerlichen Strapazen einer Reise nach Bagdad für eine Literaturlesung lohnen. In den Nachrichten aus dem Irak hört man täglich von explodierenden Autobomben, sodass es nur eine Frage des Glücks, eine Art russisches Roulette zu sein scheint, ob man selber Opfer des Terrorismus wird. Zur falschen Zeit am falschen Ort zu sein, das genügt.
Allein in den letzten zwei Jahren haben al-Qaida zugerechnete Gruppen über 2.000 blutige Anschläge verübt. Mehr als 6.000 Todesopfer und 20.000 oft sehr schwer verletzte Iraker sind das Resultat. Hunderttausende Menschen sind von der anhaltenden Gewalt traumatisiert, die die Männer von al-Qaida und Islamischer Staat im Irak und in der Levante (Isis bzw. Isil, Daaisch) ausüben, noch verstärkt seitdem sie 2013/2014 in al-Anbar und Falludscha die Kontrolle übernahmen. Mittlerweile kontrollieren sie auch die Stadt Abu Ghraib, die nur 32 Kilometer von der Stadtgrenze Bagdads entfernt liegt.
Es ist nicht weiter verwunderlich, dass viele Freunde meine wiederkehrenden Besuche in Bagdad für absolut wahnwitzig halten – „Selbstmord“, wie eine Freundin kommentierte. Wahnwitzig erschien auch die Idee einer großen Lesung dort. Ich habe selber lange gezögert: Ist es vernünftig, wie ich es plante, auf einer Freiluftbühne mitten in Bagdad öffentlich aufzutreten, um aus meinem jüngsten Roman vorzulesen, während neben mir ein Bagdader Musikensemble klassische Musik darbietet? Und mehr noch: war es vernünftig und denkbar, dass neben mir eine blonde Frau sitzen sollte, die Auszüge aus der deutschen Übersetzung des selbigen Romans vorträgt? Konnte man vernünftigerweise davon ausgehen, dass dies ohne Zwischenfälle im wahrsten Sinne des Wortes „über die Bühne gehen“ würde?
Gestern noch Ruine – heute Bühne

And not only that: he was so thoroughly Iraqi that to this day he is one of the very few politicians of this country at the mention of whose name the words „God bless his memory“ always followed, as I heard my grandfather say countless times. Who could forget